Wolfgang
Rackow,
Osterode
Die Fledermausfauna der Einhornhöhle
Wie leben Fledermäuse im Winter?
Wenn
die ersten kalten Nächte im Spätherbst beginnen und damit auch die
Insektendichte abnimmt, suchen die Fledermäuse frostgeschützte
Stellen in Häusern, Baumhöhlen, Stollen, Kellern, Brunnen, Höhlen
u.a. auf.
Diese
Winterschlafplätze können in beträchtlicher Entfernung von den
Sommerquartieren, aber auch in unmittelbarer Nähe liegen. So
unternehmen Fledermausarten wie die Rauhautfledermaus, Abendsegler
und Kleiner Abendsegler weite Wanderungen bis 1700 km nach Süd-
bzw. Südwesteuropa.
Die
Winterquartiere müssen eine hohe Luftfeuchtigkeit von 90-100% für
die meisten Fledermausarten bieten.
Das
Mausohr hängt meist frei an der Decke oder in Nischen, dagegen
verstecken sich Wasser- und Fransenfledermäuse tief in
Gesteinsspalten, so dass sie kaum zu finden sind.
Doch
gleich ob einzeln in Spalten verkrochen, ob in Gruppen von der Decke
hängend oder frei an der Wand festgekrallt, alle Fledermäuse
erscheinen im Winter leblos. Die Tiere sind aber keineswegs tot -
ihre Körperfunktionen sind nur weit herabgesetzt: Der Herzschlag
ist um etwa 90% herabgesetzt, die Körpertemperatur beträgt statt
knapp 40°C nur noch zwischen 2° und 10° und es treten Atempausen
von über einer Stunde auf. Dieses physiologische Kunststück ermöglicht
es, trotz der geringen Fettreserven das Winterquartier nach 5 - 6
Monaten wieder lebendig zu
verlassen. Allerdings ist es dafür auch unerlässlich, dass sie
nicht gestört werden. Denn jedes überflüssige
„Wiedereinschalten“ des Organismus kostet viel Energie für das
Erwärmen des Körpers. Die wird jedoch für gelegentliches, aber
notwendiges Aufwachen während des Winters benötigt. Dann trinken
die Fledermäuse Wasser von den Wänden, urinieren und wechseln auch
die Winterquartiere.
Wird
zuviel Energie verbraucht, erwachen die Fledermäuse nicht mehr aus
dem Winterschlaf oder sind viel zu schwach für die Wanderung zu den
Sommerquartieren.
Fledermausfunde in der
Einhornhöhle
Aus
der Einhornhöhle bei Scharzfeld liegen neben den umfangreichen
Grabungsergebnissen von Dr. Ralf Nielbock nur wenige konkrete
Altdaten über die Fledermausfauna vor. Nielbock fand bei seinen
Grabungen in der Einhornhöhle 1985 - 1987 Knochen von 12 Arten: Große
und Kleine Bartfledermaus, Bechsteinfledermaus, Braunes Langohr,
Fransenfledermaus, Großes Mausohr, Kleine Hufeisennase,
Mopsfledermaus, Teichfledermaus, Wasserfledermaus, Wimperfledermaus
und Zwergfledermaus. Besonders interessant ist der Nachweis der
Wimperfledermaus, die heute nicht mehr in Norddeutschland vorkommt.
Rudolf
Löns, der Bruder des bekannten Heimatdichters Hermann Löns aus der
Lüneburger Heide, weilte wie sein Bruder aus familiären Gründen häufiger
in Barbis.
Hermann
Löns veröffentlichte 1906 eine Zusammenstellung von Hannovers Säugetieren,
wobei er nur die damals genannte Breitohrige Fledermaus (heute
Mopsfledermaus) erwähnt. Wörtlich: „Rudolf
Löns fand sie in Menge in der Einhornhöhle“. Heute gehört
die Mopsfledermaus in ganz Niedersachsen zu den seltensten Arten.
Erst über 90 Jahre nach dem Nachweis in der Einhornhöhle folgte
durch den Autor ein Nachweis als Straßenverkehrsopfer bei Bad
Sachsa im Jahr 1997. Neuerdings gibt es einige Netzfänge der
Mopsfledermaus vor Südharzer Gipskarsthöhlen, allerdings nur mit
Nachweisen von Männchen.
Ein
weiterer historischer Nachweis stammt von Dr. Karl Tenius aus
Hannover, der 1953/54 in seinen „Bemerkungen zu den Säugetieren
Niedersachsens“ als neuen Fundort der Zwergfledermaus die Einhornhöhle
angibt.
Für
die Arbeitsgemeinschaft für zoologische Heimatforschung in
Niedersachsen (AZHN) war Tenius mit Dr. Ernst Rhümekorf aus Springe
in den 50er Jahren häufiger im Harz zu
Fledermaus-Winterquartierkontrollen und Markierung.
Der
Goslarer Fledermausforscher Friedel Knolle und – von ihm angeregt
– die Höhlenforscher Rainer Hartmann und Friedhart Knolle der
heutigen Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Harz e.V. fanden bei
ihren kursorischen Fledermauskontrollen seit den siebziger Jahren in
der Einhornhöhle immer nur einzelne Fledermäuse vor, bevorzugt in
den Nebengängen; die Tiere wurden aus Artenschutzgründen aber
nicht exakt bestimmt. Am 20.12.1987 wurde - nach Abschluss der
Grabungen im Jacob-Friesen-Gang und der Abteufung der Bohrungen in
der Höhle (s. Bericht VLADI in diesem Heft) - von Friedhart Knolle,
Bärbel Pott, Firouz Vladi und Siegfried Wielert erstmals eine
vollständige visuelle Winterquartierkontrolle der gesamten Höhle
vorgenommen. Dabei fanden sich 10 Fledermäuse im Winterschlaf: eine
Bartfledermaus spec. in der Struckmanngrotte, eine unbestimmte Art
(vermutlich Wasserfledermaus) im Weißen Saal, ein Großes Mausohr
und ein Braunes Langohr im Schillersaal, ein Großes Mausohr im Bärengang,
eine Bartfledermaus spec. und ein Großes Mausohr in der
Leibnizhalle, eine Bartfledermaus spec. im Hauptgang nahe dem
Schweinsrücken und ein Großes Mausohr in der von Alten-Kapelle.
Insgesamt
wurden in der Einhornhöhle bisher bei den jüngeren Untersuchungen
folgende Arten als Winterschläfer nachgewiesen: Bartfledermaus spec.
und Große Bartfledermaus, Braunes Langohr, Breitflügelfledermaus,
Großes Mausohr und Wasserfledermaus.
Bei
einem Einbruch in die Höhle im April 1991 wurde ein männliches
Mausohr wahrscheinlich erschlagen.
Herausragend
war der Fund einer Großen Bartfledermaus mit Aluminiumklammer B
40271 des Sächsischen Ministerium für Umwelt in Dresden (SMU
Dresden) am 16. 2. 2003. Das Männchen wurde am 27. 7. 1999 im
Naturschutzgebiet „Jederitzer Holz“ bei Havelberg, 175 km
entfernt, von Bernd Ohlendorf aus Stecklenberg/Harz markiert
(Karte).
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