Tiere der Eiszeit in der Einhornhöhle
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Wie
wir heute wissen, waren es nicht Einhornknochen, die in der Höhle gefunden
wurden, sondern fossile Knochen des Höhlenbären und einer Vielzahl weiterer
eiszeitlicher Tiere. Erste vorrangig archäologisch orientierte Grabungen führten zwischen 1872 und der folgenden Jahrhundertwende nacheinander R. Virchow, C. Struckmann und P. v. Alten „auf der Suche nach dem diluvialen Menschen“ durch. Struckmann wies bei Grabungen vor allem in der Blauen Grotte Artefakte und menschliche Knochenreste seit der Zeit des Neolithikums nach. 1905 - 1908 grub die Rudolf-Virchow-Stiftung unter Windhausen und Favreau weiter. Bei allen Grabungen wurden neue Höhlenteile ergraben, so vor allem von v. Alten und später dann von Jacob-Friesen, der 1925/26 einen neuen Gang freilegte. Außer zwei Bärenresten fand er allerdings in dem nach ihm benannten Jacob-Friesen-Gang nichts, auch nicht erhoffte Reste diluvialer Menschen. Erst am Ende des neuen Gangs stieß er im Hangenden auf ein Knochennest einer Glazialfauna mit Schneehase, Vielfraß, Fuchs, Bison und Riesenhirsch. In späterer Zeit wurden 1956 - 1958 u.a. von Meischner, Göttingen, und 1968 von Duphorn, Hannover, kleinere, auch paläontologisch orientierte Grabungen vorgenommen.
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Neben den Hinweisen zur Altersstellung der Tierreste gibt ihre Artenzusammensetzung innerhalb einer Schicht auch wichtige Informationen über die klimatischen und ökologischen Verhältnisse zu Lebzeiten der jeweiligen Tiere. In der Einhornhöhle wurden bis auf wenige Ausnahmen nur Tiere aus Waldbiotopen feucht-warmer oder feucht- gemäßigter Klimate nachgewiesen, einige Arten zeigen zudem Gewässernähe an. Die Tierreste konnten zum einen Tiergemeinschaften der frühen Nacheiszeit (mit teilweise kaltzeitlichen Reliktarten wie Alpenspitzmaus), zum anderen Höhlenbärenfaunen des späteren Eiszeitalters mit nordischen Wühlmäusen und Wölfen zugeordnet werden.Typische Vertreter der letzten Eiszeit wurden bislang nur im Jacob-Friesen-Gang gefunden. |
Jacob-Friesen-Gang:
Canis lupus, eiszeitlicher Wolf,
linker Unterkiefer. |
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Die Bären
In
den Fundinventaren aller Grabungen überwiegen aus den pleistozänen Schichten
eindeutig Knochenfunde von Höhlenbären. Ihnen kam schon immer eine besondere
Beachtung zu. Bereits Rode bezog
1935 Funde aus der Einhornhöhle als Ursus
spelaeus var. hercynia in seine
Bären-Monographie ein. Von großer
Bedeutung sind die vielen Knochen und Zähne des Höhlenbären. Die Zähne
zeigen im Gegensatz zu denen reiner Raubtiere an, dass diese Bärenart sich im
Laufe des Eiszeitalters immer wieder der Umgebung anpasste und mit fortlaufender
Veränderung seines Gebisses vom Fleischfresser weg ein fast reiner
Pflanzenfresser wurde. Der Einhornhöhlenbär steht hinsichtlich seiner
Entwicklung zwischen den primitiven Bären des älteren Eiszeitalters
(Ursus etruscus und Ursus
deningeri) und dem voll entwickelten Höhlenbären in der Endphase der
letzten Eiszeit (Ursus
spelaeus). Vergleichbares gibt es nur aus wenigen Höhlen. Alle diese
Zwischenformen gehören in die Zeitspanne zwischen 500.000 und 30.000 Jahren vor
heute.
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Es gibt aber aus den
Grabungsstellen im Jacob-Friesen-Gang mit ihrer hohen Funddichte an
Knochenmaterial und Artefakten bislang keine Belege für ein Einwirken des über
lange Zeiträume zeitgleich - aber vielleicht nicht gleichzeitig - in der Höhle
anwesenden Neandertalers auf die Höhlenbären oder ihre Knochenreste. |
Leibnizhalle: Ursus spelaeus, Höhlenbär, vollständiger Unterkiefer mit allen Zähnen (Mandibellänge 28 cm). |
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Jacob-Friesen-Gang:
Ursus spelaeus, Höhlenbär, vollständiger
Schädel (Länge ca.
50 cm). |
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Die Artenvielfalt Ergänzt
man die Fossilliste der Einhornhöhle um das Material früherer Grabungen, so
erhöht sich die Vielfalt dieser Höhlenfauna auf über 70 erkannte
Wirbeltierarten, darunter über 60 Säugetierarten. Die Einhornhöhle ist mit
dieser artenreichen eiszeitlichen
Tierwelt eine einzigartige Höhlenfundstelle im norddeutschen Raum! Alle
bisherigen Funde stammen nur aus den oberen max. zwei Metern Sediment einer, wie
Peilstangen- und Kernbohrung ergaben, bis 30 m mächtigen Lockergestein-Höhlenfüllung.
Durch diese Bohrungen wurden die Dimensionen der Einhornhöhle und ihres
potentiellen Fossilreichtums erst erkennbar. Zu
bedenken ist zudem, dass Höhlenfaunen durch verschiedenartige Selektion
generell nur bestimmte Tierarten der jeweiligen Zeitphasen enthalten und das natürliche
Artenspektrum somit nicht vollzählig ist. |
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Faunenliste der Grabungskampagne 1985-88 Eine Zusammenfassung der Fauneninhalte zeitgleicher Fundschichten aus den verschiedenen Grabungsstellen innerhalb der Höhle ergibt die folgende Grobeinstufung der einzelnen Faunenkomplexe:
Holozän (frühes Postglazial bis rezent; Waldfaunen mit teilweise kaltzeitl. Reliktarten, teilweise zudem wärmeliebenden Arten): Bufo bufo, Rana temporaria, Rana ridibunda; Anguis fragilis; Aves sp.; Erinaceus europaeus, Talpa europaea, Crocidura leucodon, Neomys anomalus, Sorex minutus, Sorex alpinus, Sorex araneus; Rhinolophus hipposideros, Myotis emarginatus, Myotis mystacinus/brandti, Myotis nattereri, Myotis bechsteini, Myotis myotis, Pipistrellus pipistrellus, Barbastella barbastellus, Plecotus auritus; Eliomys quercinus, Glis glis, Muscardinus avellanarius, Micromys minutus, Cricetus cricetus, Apodemus sylvaticus, Apodemus flavicolis, Myophus schisticolor / Lemmus lemmus, Clethrionomys glareolus, Arvicola terrestris, Microtus subterraneus, Microtus arvalis, Microtus agrestis; Felis silvestris, Martes martes, Meles meles, Mustela erminea; Lepus europaeus; Bos primigenius, Capreolus capreolus, Sus scrofa.
Pleistozän (Bereiche der Weichsel-Zeit; überwiegend Offenland- Biotope mit feucht-kühlem Klima): Talpa europaea; Microtus oeconomus, Microtus sp., Arvicola terrestris; Ursus spelaeus, Canis lupus, Panthera spelaea; Bison priscus.
Pleistozän (Frühweichsel / spätes Eem; Offenland-Biotope bei feucht-kühl bis feucht gemäßigtem Klima): Pisces indet.; Talpa europaea, Sorex araneus -(Gruppe); Microtus nivalis, Microtus arvalis / agrestis, Microtus oeconomus, Clethrionomys glareolus, Arvicola cantiana-terrestris; Canis lupus, Ursus spelaeus, Panthera spelaea; Cervidae indet.
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Pleistozän (Eem; Waldfauna mit wärmeliebenden Arten; feucht-warmes Klima ): Bufo bufo; Talpa europaea, Sorex araneus -(Gruppe); Myotis emarginatus, Myotis bechsteini, Myotis daubentoni, Myotis dasycneme, Plecotus auritus; Eliomys quercinus, Glis glis, Apodemus sylvaticus / flavicollis, Microtus arvalis / agrestis, Clethrionomys glareolus, Arvicola cantiana-terrestris; Ursus spelaeus, Felis silvestris, Panthera spelaea. Zusätzliche Funde in gestörten Schichten und zeitlich nicht näher einzuordnenden Grabungsstellen sowie weitere Arten aus Fundinventaren älterer Grabungskampagnen:
Sciurus vulgaris, Dryomys nitedula; Mustela nivalis, Vulpes vulpes, Ursus arctos, Lutra vulgaris, Gulo gulo; Lepus timidus, Lepus sp.; Bos/Bison sp.; Cervus elaphus, Megaloceras giganteus, Didermoceros hemitoechus, Equus spec.; ferner die Haustiere Pferd, Rind, Schaf, Ziege und Hund. |
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Kellergang, nacheiszeitlich Maßstab: Distanz gelbe Linien = 5 mm |
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Clethrionomys glareolus
=
Rötelmaus, Unterkiefer
Kellergang , nacheiszeitlich |
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Zusammenstellung der zoologischen Nomenklatur und der jeweiligen deutschen Namen aller in diesem Bericht und in der weiteren Literatur* über Eiszeitfaunen am Südharz aufgeführten Wirbeltierarten: | |||
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